Das Wichtigste aus 52 Wochen: Sonst befragen wir die Mitglieder unseres Kuratoriums im Wechsel jeden Sonntag zu ihrer klimapolitischen Überraschung der Woche. Zu Silvester wollten wir wissen: Was war Ihre Überraschung des Jahres?
Anm. Auszug aus dem klimareporter vom 31.12.2019
Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der nachhaltigen Investing-Plattform Wiwin: Der Politik fallen immer neue absurde Möglichkeiten ein, die Energiewende in Deutschland zu blockieren und trotzdem nicht als Buhmann im Klimaschutz dazustehen. So auch im Jahr 2019, wo die CDU – ergänzend zum Todesurteil für den Windkraftausbau durch die neue Abstandsregelung – mit der Idee um die Ecke kam, Wind- und Solarstrom in Afrika produzieren zu lassen, dort in Wasserstoff umzuwandeln und dann per Pipeline nach Deutschland zu importieren.
Statt also selbst vom starken Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien zu profitieren, will die CDU ganz Deutschland zu einem Nimby-Land machen, indem wir zwar Ökoenergie nutzen, sie aber nicht vor Ort erzeugen – nach dem Motto: Not in my backyard. Ähnlich der Solarbranche würde so auch die Windindustrie noch weiter zerstört werden. Und ebenso fatal: Wir würden uns und unsere Energieversorgung wieder stärker vom Ausland abhängig machen – die Energiewende hatte uns doch gerade erst den positiven Effekt der größeren Unabhängigkeit von den Öl- und Gasstaaten gebracht. In der Regel geht es hier um Länder mit einer hohen Inflation und einem hohen Zinsniveau, wodurch der Strom und erst recht der Wasserstoff noch nicht mal günstiger sind. Der Transport und die enormen Verluste dabei machen die Energie zusätzlich teuer. Ein weiterer Teil der Energie ginge in Form von Wärme bei der Elektrolyse im Ausland verloren. Die Liste der Argumente gegen den Ökostrom-Kauf in Afrika ließe sich immer weiter fortsetzen – von der Zeitintensität der Verhandlungen mit anderen Staaten über die Abhängigkeit von Großkonzernen bis hin zum Verlust der Vorreiterrolle Deutschlands in der Energiewende.
Der Gegenvorschlag: Wir produzieren mehr Ökostrom in Deutschland, speichern die Überschüsse in Form von Wasserstoff und nehmen auch die Rückverstromung in Deutschland vor. So können wir die bei der Elektrolyse entstehende Wärme vor Ort nutzen, wir sind unabhängig, brauchen keine neuen Pipelines, kurbeln unsere Wirtschaft an und erzeugen und nutzen Energie auf die effizienteste und klimafreundlichste Weise.
Die Energiewende in Deutschland ist einfach umzusetzen: Wenn wir im Schnitt in jeder der rund 11.000 Gemeinden drei Windräder bauen und die bestehenden Windenergieanlagen repowern, können wir etwa 25 bis 30 Prozent mehr Strom erzeugen, als wir heute benötigen. 33.000 moderne Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 bis 170 Metern und einem ebenso großen Rotordurchmesser würden jeweils im Schnitt 20 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen – in Summe also rund 660 Milliarden Kilowattstunden.
Kombinieren sollten wir das mit modernen Photovoltaik-Anlagen. Um auch den Verkehrs- und Wärmesektor erneuerbar versorgen zu können, bedarf es weiterer 600 bis 700 Milliarden Kilowattstunden Strom. Der kann mit einer Solarmodulfläche von rund 3.500 Quadratkilometern produziert werden. Hört sich viel an, ist es aber tatsächlich gar nicht. Das ist lediglich ein Prozent der Fläche Deutschlands. Zum Vergleich: 14 Prozent sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, davon ist die Hälfte versiegelt. Das heißt, nur auf einem Bruchteil der versiegelten Fläche müssten Photovoltaikanlagen gebaut werden.
So ließe sich das Potenzial von Wind- und Solarenergie voll ausschöpfen und unter anderem mithilfe von Elektroautos, Wärmespeichern, Wärmepumpen und Blockheizkraftwerken auch der Verkehrs- und Wärmebereich einbeziehen. So sind eine CO2-freie Zukunft und die Klimawende einfach und kostengünstig möglich.